LESOIR - Latitude

Tracklist:

  • Modern Goddess
  • In The Game
  • Icon
  • In Their Eyes
  • Gone And Forgotten
  • Eden's Garden
  • Zeros And Ones
  • Kissed By Sunlight
  • Cheap Trade
  • Comforting Rain
  • Latitude
  • Faith Is
  • Cradle Song

Info:

VÖ:17.11.2017

Label: Gentle Art Of Music


Video:

Bewertung:

Autor:  Kerbinator

Bewertung:  9 / 10



Eine ganz spezielle Artrock Band sind Lesoir aus den Niederlanden. 2010 gegründet, malen sie mit „Latitude“ zum vierten Mal ihre eigenen Bilder in Albumformat. Genauso wie die Musik von Lesoir sind auch die Lyrics keine leichte Kost. Auf dem neuen Album drückt man seine Gedanken zu Themen wie Klimawandel, die Rolle des Menschen auf dem Planeten oder als persönliche Angelegenheit über einen Überlebenden des Bataclan-Terroranschlags in Frankreich aus. Klar, daß sich die Musik der Niederländer hier nicht nur in schönen Melodien wiederfindet.

 

Geprägt wird Lesoir nicht unerheblich vom Gesang gleich zweier Frauen. Maartje Meessen singt wohl in der Hauptrolle und spielt „nebenbei“ noch Flöte und Piano. Die zweite Dame hört auf den Namen Eleen Bartholomeus und erweitert das Spektrum von Lesoir zudem mit zweiter Gitarre, Keyboards und Percussions. Der Gesang dieser Frauen löst bei mir, zumindest in ruhigeren Passagen, Erinnerungen an die britische Progband Iona aus, ohne allerdings den dortigen stark ausgeprägten Folk-Einfluss. Auch diese Band hatte mit Joanne Hogg eine ähnlich geartete Sängerin, die auch noch Gitarre und Keyboards zusteuerte.

 

Die Musik von Lesoir ist aber viel filigraner und mitunter schwerer zu fassen wie bei Iona. Am ehesten noch beim Eröffnungsstück „Modern Goddess“ mit Piano-Beginn, zärtlichem Gesang und abwechselnden Powerpassagen mit ruhigen Momenten, kann man von sofortiger Greifbarkeit des Songs sprechen. Doch schon mit dem zweiten Song „In The Game“, der mit ruhigen Triangel-Tönen startet, überrascht die Band mit mehrstimmigem, fast an Gospel erinnernden Gesang bis hin zu dem Einsatz von Bläsern und moll-lastigen, dramatischeren Momenten. Gitarrist Ingo Dassen zeigt deutlich, welches Melodieverständnis er besitzt und wie man seine Gitarre malerisch einsetzt. Typische Progrock-Gitarre als Basis, aber mit viel Feingefühl.

 

„Icon“ klingt wieder ganz anders. Moderner, mit leicht verzerrtem Gesang teilweise und harten, tiefergestimmten Gitarren. Lediglich ein elegisches Gitarrenthema versöhnt die Harmoniebedürftigen. Die bekommen bei „In Their Eyes“ ihre Vollbedienung. Akustischer Beginn, verträumter Gesang auf Basis einen Ein-Ton-Gitarrenlaufs, dem zärtliche Saitentöne folgen.

 

Trauriger, melancholischer wird’s bei „Gone And Forgotten“, das ebenfalls akustisch beginnt und über atmosphärische Gitarren zu härterer Ausrichtung findet. Ein Beispiel, wie Lesoir in der Lage sind, Emotionen mit Musik auszudrücken, oder wie es das Label so schön sagt: „Bilder mit ihrer Musik zu malen, die sich der Hörer gedanklich vorstellen kann“.

 

Lesoir bedienen sich zwischendurch auch einmal symphonischer Elemente. Nicht umsonst bietet die Band, wie auf Live-Fotos jüngster Zeit zu sehen, auch ein Orchester während ihrer Livekonzerte auf. Das lässt einen Song wie „Eden's Garden“ oder das rein instrumentale „Latitude“ breitwandiger werden. Bedeutet, der Sound wird ungleich voluminöser und gewaltiger.

 

Maartje Meesen spielt, wie erwähnt, auch die Flöte bei Lesoir. Auffällig ist diese nicht, lediglich beim vorletzten Song „Faith Is“ kommt dieses Instrument verstärkt zum Tragen. Hier hätte ich eigentlich mehr Präsenz während des Albums erwartet. Bei „Cheap Trade“ werden die meist feinsinnig und einfühlsamen Damen des Gesangs urplötzlich biestiger. Angefangen bei modernem Pop-Gesang, klingen die Stimmen hier beinahe Bitch-mäßig. Generell ist der Song eher etwas abgefahren und stellt trotz seiner Momente den Schwachpunkt des Albums dar. Diese rauhe Basis zieht sich auch etwas in das folgende „Comforting Rain“, welches mit holprigen Drums und mehr oder weniger ausgeprägtem Erzählgesang aufwartet. Ein wunderschönes, proglastiges Gitarrensolo holt den Hörer wieder in die Schönheit der Musik zurück. Zum Abschluß gibt’s mit „Cradle Song“ noch ein ruhiges Stück, welches durchaus als Wiegenlied taugt.

 

„Latitude“ ist ein hochklassiges Stück Musik-Kunst, daß selbst vielen Gourmets progressiven Artrocks die Münder offen stehen lassen dürfte. Nicht, daß die Musiker hier mit überbordender Versiertheit agieren....nein, die Komposition steht im Vordergrund. Und auch wenn man sich manchmal wünscht, eine ruhige, zärtliche oder besinnliche Passage möge doch länger dauern, ist es genau diese Vielseitigkeit, die Lesoir während jedem einzelnen Song auszeichnet. Bis auf kleinere Ungereimtheiten, wie das angesprochene „Cheap Trade“ ist „Latitude“ eine der hochwertigsten Arbeiten, die in letzter Zeit in diesem Bereich veröffentlicht wurden.

 

Man muß sich Zeit nehmen, muß sich mit dem Album auseinandersetzen um die ganze Pracht von Lesoir zu verstehen. Nicht der Einzelne steht im Vordergrund, sondern das Ganze. Leicht zugänglich ist die Musik nicht, aber entfaltet sich nach und nach aus der Vielschichtigkeit. Ja, Lesoir sind eine ganz spezielle Band.  



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