Location: Open Air Gelände Wiesthal
am: 08.-10.08.2025
Während sich in Aschaffenburg am Wochenende Unsägliches wie Semino Rossi oder Andreas Gabalier tummelte, um Weißhemd-tragende Sekt-u. Prosecco-Schlürfer zu bespäßen, fand ein paar Kilometer weiter im beschaulichen Wiesthal das wahre Musikevent des Wochendes statt. Rock Over Wiesthal hatte wieder geladen von Freitag bis Sonntag bei freiem Eintritt lokale oder zumindest mit etwas Lokalkolorit behaftete Bands zu bestaunen. Die liebevoll gestaltete, weiträumige Waldlichtung war zum wiederholten Male Anlaufpunkt für echte Rockfans und Leute, die sich bei ehrlich aufopferungsvoll arbeitenden Menschen, dem Open Air Club Wiesthal, sichtlich wohlfühlen. Die Rahmenbedingungen anstatt Überfluss gezielt und treffsicher aufgelegt, konnte auch der Wettergott nicht anders, als mit Wiesthal und seinen Freunden um die Wette zu strahlen
Den Part als Opener des RoW 2025 hatten die Lokalmatadore von Das Dicke Ende übernommen. Ab etwa 19.00 Uhr stand das Quintett, in dem nicht nur zwei Wiesthaler aktiv sind, sondern das auch seinen Proberaum in dem idyllischen Spessart Örtchen hat, auf der Bühne. Sie waren sich ihrer Aufgabe bewusst, die erwartungsfrohen Musik Fans auf der Waldlichtung von Null auf Hundert auf Betriebstemperatur zu bringen. Und das gelang der routinierten Cover Band mit einer fulminanten Setlist vorzüglich. Sie hatten den Arrangements von Rock Klassikern wie "Beds are burning", "Learning to fly", "Money for nothing" oder "Danger Zone" einen Zacken mehr Drive als gewöhnlich mitgegeben, und hatten die rasch anwachsende Crowd zwischen Waldbar und dem erstmals errichteten Biergarten im Handumdrehen im Griff. Klar, die Hits von Genregrößen wie ZZ Top, Queen oder Pink Floyd sind natürlich jedem Rock Fan bekannt und an einem lauen Sommer Freitag Abend versprühen sie auf einem Open Air Event natürlich besonders easy ihre speziellen Vibes. Das dicke Ende hatte also knapp drei Stunden lang einen Top Job gemacht und einen mehr als würdigen Dosenöffner gegeben.
Nach einer flott durchgezogenen Umbaupause war es um halb Elf Zeit für noch mehr Druck aus den Boxen. Die 2024 reformierten Metal Attack, seither mit dem Zusatz "Tribute" versehen, enterten die Bühne und nach einem aus dem Off eingespielten Intro donnerten die Aschaffenburger mit dem Purple Klassiker "Highway Star" gleich mächtig los. Eine Reise durch die Geschichte des Metal haben sich Metal Attack Tribute unter dem Motto "Journey of Metal" auf die Fahnen geschrieben. Und diesem Anspruch werden Walter, Matze, Ibrahim, Eric und Tobi auch zu jedem Zeitpunkt ihres Energie geladenen Sets gerecht. In chronologischer Reihenfolge von den 70ern über die 80er und 90er Jahre bis in die Gegenwart feuern sie Salven von Led Zeppelin, Motörhead, Priest, Maiden, dem jüngst verstorbenen Ozzy Osbourne (ganz starke Version von "Bark at the Moon") oder AC/DC in die feierwütige Menge. Fronter Walter taucht dabei immer wieder mit neuen Outfit Accessoires auf der Bühne auf und unterstreicht damit auch optisch die metallische Zeitreise. Vor nichts und niemand macht der Fünfer dabei Halt und so gelangt man irgendwann im Hier und Jetzt der Metal Szene an. Denn auch Five Finger Death Punch oder Slipknot finden sich mit ihren Werken auf der Setlist von Metal Attack Tribute. Schwitzende Leiber auf und vor der Bühne waren das Ergebnis ihrer rund zweistündigen Zockerei
Einen reinen "Cover Abend" wie an diesem Freitag hatte es beim Rock over Wiesthal schon seit einigen Jahren nicht mehr gegeben. Doch der Wunsch nach einem genau solchen wurde zuletzt auch immer wieder laut. Und so bediente der veranstaltende Open Air Club Wiesthal die Fans mit dem Billing des Freitags vortrefflich. Zufriedene Gesichter rund um dienen dafür als Beweis.
Den Anfang am Festival Samstag machten die Thrash-Metaller Kerium aus Aschaffenburg um Sänger/Gitarrist Johannes Heßler. Zwar waren die Reihen noch recht überschaubar gefüllt, dennoch lohnte es sich wieder Songs der Marke „My Revenge“, „Deadline“ oder das als Ballade angekündigte „Endless War“, die einen nicht unerheblichen Metallica/Testament-Vibe zu Tage fördern, zu erleben. Fantastisch aufeinander eingestimmt kamen die Songs wie aus einem Guß, lediglich die Leadgitarre hätte etwas fetter rüberkommen können. Dennoch ein sehr gelungener Auftritt, der Appetit machte auf das was da noch kommt. Kerium…wird mal wieder Zeit für ein neues Album, by the way.
Die Umbaupause wurde wie gewohnt von The One Un Die Annern akustisch kurzweilig mit Eagles-/U2- uvm.-Klassikern verkürzt, bevor Empty Hourglass aus Lohr vor die Bühne baten. Musikalisch sicherlich der krasseste Act des gesamten Wochenendes. Muss man doch schon ein Fan modernerer Metalcore-Klänge, die zudem auch noch ein gewisses Maß an Progressivität beinhalten, sein. Bullet For My Valentine oder die Architects werden im Dunstkreis der Band immer wieder als Vergleich genannt. Auch der Wechselgesang von Emo-weinerlich hin zu bösartigem Gekeife ist sicherlich nicht jedem Klassik-Hardrocker sein Metier, dennoch zog der Sound von Empty Hourglass viele Leute in ihren Bann, da eben qualitativ hochwertig und mit vielen Spannungsbögen interpretiert wurde. Als der eher als Schwiegersohn-von-nebenan wie als Aggro-Brüllwürfel daherkommende Sänger zur Zugabe dann noch mit Udo-Jürgens-verdächtigem Handtuch (allerdings in rot) ins Wiesthaler (Rampen)Licht trat, war der erfolgreiche Gig endgültig abgesegnet.
The One Un Die Annern danach erneut mit Umbaupausen-Credo führten über zum, man kann es im Nachhinein nicht anders sagen, heimlichen Headliner Oversense aus Obersinn (wer’s nicht glaubt, lese den Bandnamen). Es war schon irgendwo abzusehen durch die vielen Oversense-Bandshirts die im Publikum aufgetragen wurden, das die Truppe um Sänger/Gitarrist Danny Meyer und Neu-Hämatom-Gitarristin Annika Jaschke mit ihren Endzeit-Outfits und powergetriebenem (Düster)Metal abräumen würden. Und was die, natürlich auch als Blickfang geeignete, Annika aus den Saiten zauberte, konnte sich mehr als hören lassen. Viele Loops, die sich mit den straighten Riff-Parts kreuzten, beeindruckten und neben aller Wucht streuten Oversense massenhaft tolle Melodiebögen in die Meute, die ihren ganz eigenen Mad Max der Metalwelt feierte. Irgendwie wollte der Auftritt auch nicht enden. Noch ein Song und noch ein Song….es wurde rasch klar, das die Stagetime des Headliners um 23.30 Uhr nicht zu halten sein würde. Macht aber nix. Eine Band, die so abgeht und das Publikum auf sich zieht, darf auch gerne mal überziehen.
Trotz erhöht fortgeschrittener Stunde gab’s noch mal Akustik-Weisen von The One Un Die Annern, bevor dann der Headliner, die aus Hamburg stammenden Sign X, zur Melodic-/Hard Rock-/metal-Party luden. Aus Hamburg ? – Ja, aber mit Sebastian Zierof hat man einen waschechten Sänger aus Wiesthal in den Reihen. So der Bezug zur lokalen Ausrichtung des RoW. Da es schon immens spät war und viele absehbar wegen Oversense gekommen waren, lichteten sich die Reihen vor der Bühne doch schnell. Leider, muss man sagen. Denn die spielfreudige Art und Weise wie Sebastian, Olli und der dauerfreundlich lächelnde 60er-Fan Steve ihre Songs rüberbringen, lässt prinzipiell keine Wünsche offen. Und wer die fantastische Stimme von Sebastian noch nicht kennt, sollte das mal schleunigst nachholen. Das mit Axel auch ein eigenständiger Keyboarder zum Line Up gehört, verfeinert den hochmelodischen Sound von Sign X nochmals um einige Stufen. Die aus Chalice hervorgegangene Band konnte trotz weniger Zuschauerzuspruchs direkt vor der Stage völlig überzeugen und wird immer wieder ein gerngesehener Gast beim traditionsreichen Open Air Club des Rock Over Wiesthal bleiben. Und man munkelt, das auch ein neues Album in Mache wäre…na dann mal ran.
Zum Ausklang des Rock over Wiesthal wurde es am Sonntag nochmal zünftig. Das Konzept, welches sich in den letzten Jahren bewährt hat, zog auch anno 2025. Weißbier, Weißwürste und Blasmusik. Letztere wurde in diesem Jahr von den Heinrichsthaler Musikanten beigesteuert. Der Frühschoppen, der sich natürlich bis weit in den Nachmittag zog, spricht ein teilweise anderes Klientel an. So baut man mit dieser Veranstaltung Brücken zwischen mehreren Generationen.
Es ist einfach unbeschreiblich, mit wie viel Herzblut und Engagement der Open Air Club Wiesthal dieses Festival, das sich nach wie vor seinen liebevollen Underground-Charme bewahrt hat, auf die Beine stellt. Jedes Detail, von der Bühne über die Verpflegungsstände, über die stimmungsvolle Beleuchtung, über den kleinen feinen Biergarten bis hin zu den (na ja, rosafarbenen) Altersnachweisbändchen….es passt einfach perfekt. Und hier darf und muss man auch den Sound des Festivals erwähnen. Seit Jahren bewährt ist hierbei die Truppe von Hurricane PA Service, welche die Bands perfekt in Sachen Sound und Licht betreuen. Ein fantastischer Job, der ein großes Extralob mehr als verdient.
Wer’s dieses Jahr verpasst hat, muß dann nächstes Jahr mit dabei sein, wenn es wieder heißt: ROCK OVER WIESTHAL – und alles für den guten Zweck.
Aus Wiesthal berichteten: Kerbinator / MC Lucius
FOTOSTRECKE: KERIUM
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